Vor 150 Jahren, am 13. Juli 1872, äscherte ein Blitz den Turm der Pfarrkirche Schleedorf ein. In der „Salzburger Chronik für Stadt und Land“ vom 18. Juli 1872 wird folgendes berichtet:
„Das Gewitter, welches am letzten Samstag über diese Gegend hinzog, war seit Langem das heftigste und versetzte alle Bewohner in nicht geringste Angst und Besorgniß (!)…
Ein trauriges Schauspiel gewährte der Anblick der brennenden Kirche in Schleedorf, deren Thurm (!) vom Blitzstrahle getroffen und auf der Stelle entzündet worden ist.
Eine ½ Stunde lang flackerte das Feuer vom Thurm gerade zum geröteten Himmel empor und war von weiten anzusehen wie eine ruhig brennende Kerze. Zum Glücke nämlich herrschte eine ziemliche Windstille. Deutlich sah man, wie sich das Feuer dem Langhaus nahte, das leider nicht feuersicher vom Thurme abgeschlossen ist, und wie der Thurm allmählig (!) sank. Das Innere der Kirche ist jedoch unbeschädigt geblieben.“
Nach vier Jahren Planung und Renovierungsarbeiten wurde im Jahre 1876 das Turmkreuz wieder feierlich aufgesteckt.
In einer „Alten Thurmurkunde“, die im August 1982 geöffnet wurde, wird dokumentiert, dass am 19. Oktober 1876 „nach vorausgegangener Benediction (Segnung) das Thurmkreuz unter freudiger Theilnahme (!) des zahlreich versammelten Volkes und der Unterfertigten aufgesteckt und diese durch eine blecherne Kapsel verwahrte Urkunde in den Thurmknopf gegeben wurde“.
Die Unterfertigten waren:
- Joseph Dum, Probst des Kollegiatsstiftes Mattsee
- Franciscus de Lidl, Canonicus Capitularis
- Mathias Kaserer, Capitular Canonicus
- Reichhalter, Vicar
- Franz Kirchgassner, Gemeindevorstand
- Franz Amort, Polier
- Josef Schwaighofer, Zimmermeister
Die damalige Gemeindevertretung von Schleedorf ersuchte das „hochwürdige Collegiatsstift Mattsee, welchem die Kirche incorporiert (eingegliedert) ist, dass man anstatt einer bloßen Wiederherstellung des Turmes Anlaß nehmen möge, die Kirche zu vergrößern, da eine rege Beihilfe von Seiten der Gemeindeangehörigen und Nachbarn in Aussicht gestellt wurde.“
Der Plan zum völligen Neubau einer größeren Kirche wurde vom Dombaumeister und K.K. Professor Joseph Wessicken aus Salzburg angefertigt. Das Schiff der Kirche wurde nach beiden Seiten hinaus erweitert und zugleich verlängert.
Im Laufe der Jahre 1873 und 1874 wurden „durch die Bereitwilligkeit von Gemeindeangehörigen viele Quadern aus dem unentgeltlich zur Verfügung gestellten Steinbruche in Tiefstein heraufgeführt und viel Holz und sonstiges Materiale von denselben gespendet worden.“
Am 31. März 1875, dem Mittwoch nach Ostern, begann man mit dem Ausräumen der Kirche und dem Abtragen des Turmes und der Kirchenmauer. Unter der Leitung des Dombaumeisters Joseph Wessicken sowie des Maurerpoliers Franz Amort aus dem Pustertal (heutiges Südtirol) wurden die Aufbauarbeiten in Angriff genommen.
Am 17. Mai desselben Jahres, dem Pfingstmontag, fügte Stiftsprobst Joseph Dum den vorher geweihten Grundstein in den fertigen Sockel des Turmes ein und nahm am 18. Oktober 1875 die feierliche Bedediction (Segnung) vor.
Oberbaurat Joseph Wessicken (1837 – 1918) hinterließ quer durch das Land Salzburg seine Spuren. Er gilt als Erbauer des Schlosses Fischhorn bei Zell am See, der Dekanatspfarrkirche von St. Johann im Pongau („Pongauer Dom“), der Stadtpfarrkirche von St. Andrä in Salzburg und der Stadtpfarrkirche in Radstadt.
1867 wurde er zum Dombaumeister von Mainz berufen, kehrte aber 1873 wieder nach Salzburg zurück. Ab 1879 errichtete er eine Reihe von Profanbauten im Weltkurort Bad Gastein, unter anderem das Grandhotel Straubinger und das dazugehörige Postamtsgebäude. Nach seinem Tod wurde er in der familieneigenen Arkadengruft im Salzburger Kommunalfriedhof beigesetzt.
Quellen:
Salzburger Chronik für Stadt und Land vom 16. Juli 1872, Nr. 83, S.3
Chronik der Pfarre Schleedorf, August 1982
Salzburger Nachrichten vom 6. Oktober 2018, Kultur, S.5:
Florian Oberhummer: Joseph Wessicken zum 100. Todestag
Text: Fritz Freischlager